Kunst als Ausdruck von Individualität und Gesellschaft
Die Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft fand facettenreiche Darstellungsformen bei der Premiere des Kulturabends der Heinrich-Mann-Schule
“Der Künstler prägt die Gesellschaft und setzt Akzente”, deklarierte Schulleiter Hans Peter Löw zur Eröffnung des erstmals vom Förderverein der HMS initiierten und von den Fachbereichen Kunst, Musik und Darstellendes Spiel umgesetzten Kulturabends. “Wir wollen analog zu unserem Namensgeber Heinrich Mann gesellschaftliche Probleme ansprechen!” Die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft setzte den thematischen Rahmen, der auf verschiedenste Weisen mit künstlerischen Ausdrucksformen gefüllt wurde.
Zur Einstimmung demonstrierte eine rhythmische Darbietung à la “Stomp”, raffiniert versteckt in Kapuzenpullis und einer scheinbar harmlosen Straßenszene, die Kraft der Musik, Massen zu formieren und zu bewegen, aus der der einzelne Musiker jedoch immer wieder hervorstechen kann. Dem nächsten Programmpunkt unter Leitung der Kunstlehrerin Ilka Jochum und der Musiklehrerin Dr. Ann-Katrin Heimer gelang die einmalige Leistung, nicht nur die beiden Künste inhalts- und wirkungsvoll miteinander zu kombinieren, sondern vor allem die bildende Kunst auf der Bühne erfahrbar und sichtbar zu machen sowie diese durch szenische Sequenzen und spielerische Kommunikation in ihren profundesten Grundsätzen zu vermitteln: Ein französischer Künstler arbeitet beispielsweise an dem Porträt einer herausragenden Persönlichkeit zu aller Erheiterung dem des Schulleiters Löw und gerät in ein abstrahierendes Sinnieren über Grundprinzipien der Malerei und der Wahrnehmung, ebenso wie die Besucher einer Galerie bei der Betrachtung der Gemälde und weitere aufeinander treffende bildende Künstler, die einem wissenschaftlichen Diskurs verfallen. Ausgehend vom Schauplatz Paris Mitte des 19. Jahrhunderts stellt sich im Verlauf die Frage: Was passiert, wenn die alte Kunst plötzlich abgelöst werden soll? Neues kommt auf und wird eingefordert. Dieser hintergründige Übergang von der Romantik zum Impressionismus wurde gleichermaßen durch die begleitende Orchestergruppe aufgenommen, die kontrastiv jeweils ein Stück von Richard Wagner und Maurice Ravel präsentierte.
Wie Individuen dagegen an den Konventionen ihrer Gesellschaft zugrunde gehen bzw. sich gegen deren Traditionen zu stellen versuchen, zeigten die nachfolgenden Ausschnitte aus drei Inszenierungen des Fachbereichs Darstellendes Spiel. Die erste Szene aus Max Frischs “Andorra” verdeutlichte eindrücklich den Kampf eines vermeintlichen Juden gegen übermächtige Vorurteile. Die ergreifend gespielte Schlussszene von Garcia Lorcas “Bluthochzeit” erschütterte durch das Thema Blutrache und die Tragödie zweier Frauen, die letztendlich alles verloren hatten. Das tänzerisch stilisierte Vorspiel zur ersten Szene von Lorcas “Bernarda Albas Haus”, das den Widerstreit junger Schwestern und zugleich Halbwaisen mit den ihnen auferlegten Lebenseinschränkungen im Zuge einer mehrjährigen Trauerperiode zeigt, suchte dann wiederum den Schulterschluss zur bildenden Kunst, indem parallel Werke der Jahrhundertwende und eigene zur Motivik Tanz als Ausdrucksform auf Großleinwand gezeigt wurden. Seien es DS-Oberstufenkurse, LK und GK Kunst, das Schulorchester samt professioneller Dietzenbacher Verstärkung und sämtliche beteiligten Lehrkräfte und andere die große und äußerst kreative wie originelle Einsatzbereitschaft und Produktivität der Künstler-Fraktion der Heinrich-Mann-Schule hat diesen Abend nicht nur für Kulturliebhaber zu einem anspruchsvollen und nachhaltigen Genuss gemacht.